Wahlwinkel
Östlich von Waltershausen, nördlich von Reinhardsbrunn, breitet sich die stattliche Flur des "Gothaischen Dorfes Wahlwinkel" aus.
Wahlwinkel wurde erstmals im Jahre 1186 urkundlich erwähnt. Zur Zeit der Ortsgründung hatte der Ort 30 Einwohner. Im Erbbuch zu Tenneberg wird 1510 die Einwohnerzahl mit 39 angegeben. Wahlwinkel lag in der "Pflege Tenneberg". Viele auswärtige Herren hatten Besitzungen im Ort. In der Tatsache, dass der Eichenwald einst bis an den Ort heranreichte, liegt wohl die Erklärung für den Ortsnamen "Waldwinkel" (1186). Der letzte Zeuge dieses Waldes aus vergangener Zeit war die Eiche im Garten des Hauses in der Friedrichrodaer Straße 75. Wegen Umsturzgefahr musste der Baum 1975 gefällt werden.
Der größte Teil der Wahlwinkler Flur ist alter Flußboden. Mächtige Kieslager ziehen sich durch das ganze Reinhardsbrunner Tal, längs dem alten Lauf des Badewassers bis hin zur alten oder wilden Leina nach Hörselgau zu, noch weit über das Dorf Wahlwinkel hinaus. Bis ins späte Mittelalter mag die ganze Talsohle durch Versumpfung zur Kultur unbrauchbar gewesen sein. Die Ableitung des Mühlwassers nach Waltershausen hat hier eine große Wandlung geschaffen. Auf den sauren Wiesen wird die Erzeugung nutzbaren Viehfutters ermöglicht und sogar die Anlage sich jährlich mehrenden Ackerlandes gestattet. Aber noch jetzt sind die unteren Teile der großen "Karnwiese" trotz vielfach gezogener Gräben bis tief ins Frühjahr hinein versumpft. Den sichersten Beweis für den Überreichtum an Wasser geben die Namen der teils in nicht mehr nachweisbarer, teils auch in jüngster Zeit verschwundener Teiche zwischen Wahlwinkel, Waltershausen und Hörselgau. Verhängnisvoll für das Dorf war wohl die Ableitung des Dorfbaches nach dem wasserarmen Waltershausen. Als Ersatz wurde Wahlwinkel der Tausch des Mühlwassers für das Marktrecht und die Zollfreiheit in Waltershausen zugesprochen. Der Mangel an gutem Trinkwasser wurde zu einem schweren Übelstand, dem die schleichenden Krankheiten Schwindsucht und Typhus zugeschrieben werden müssen. Auf die Ausnutzung der übrigen Gewässer hat die Gemeinde desto sorgfältiger ihr Augenmerk gerichtet. Im Mittelalter war Wahlwinkel ein stark befestigter Ort. Davon zeugten einst der Burggraben, ein Wassergraben, eine Hecke, die Zugbrücke sowie die hohe Friedhofsmauer, welche das Dorf umgaben. 1565 noch hatte das letzte Haus nach der "Au" die Aufsicht über die Zugbrücke. Von einem zweiten Graben, dem Wachgang, beim Heiligen Hof hören wir im Jahre 1684. Zum Schutze des Dorfes diente außerdem noch ein starker Zaun, den jeder Nachbar, soweit sein Anwesen reichte, erhalten musste. Auch von Schlägern, Thoren, Bleichen (Palisaden von Bohlen) ist 1608 die Rede.
Wahlwinkel ist ein typisches Haufendorf mit seinen fränkischen Bauernhöfen. Der Giebel der Wohnhäuser liegt selten an der Straße, sondern an der Breitseite mit der Haustür. Viele Häuser sind am Gesims mit reicher Schnitzerei verziert. Beispiele finden sich noch am Pfarrhaus, am ehemaligen Storchennest und am Eckhaus Friedrichrodaer Straße/ Teichstraße. Das Aussehen des Dorfes wird sich seit Beginn des Gemeindebuches bis zum großen Brand (1783) nicht viel geändert haben. Der fränkische Bauernhof bildet wie bei allen Thüringer Haufendörfern die fast ausnahmslose Regel. Jetzt ist Wahlwinkel so modern wie andere Orte auch und beheimatet mittlerweile ca. 600 Einwohner.
In den letzten Jahren wurde nach und nach die Schönheit und Kultur des Dorfes wieder hergestellt.
Eine Vielzahl von Unternehmen, hauptsächlich kleine Familienbetriebe, haben sich angesiedelt (u.a. zwei Gaststätten, Eis-Café, Bäckerei, Lebensmittel- & Getränkehandel, Souvenir- & Geschenkartikel, versch. Handwerks- & Baufirmen etc.). Zwei Vereine gibt es im Dorf, von denen der 60 Mitglieder zählende Feuerwehrverein den Löwenanteil bei der Ausrichtung kultureller Feierlichkeiten (Maibaumsetzen, Kinderfest, Teichfest, etc.) übernimmt. Hoffen wir im Sinne der Wahrung des Brauchtum's, dass sich das neuzeitlich nach allen Richtungen ausdehnende Dorf die letzten sichtbaren Erinnerungen aus seiner Vergangenheit (Kirche, Pfarre, Wegborn und die hübschen Fachwerkhäuser) weiterhin festhält.